Ordentliche betriebsbedingte Kündigung ohne Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG (Kündigungsschutzgesetz) bei Insolvenz des Unternehmens
Wurde zuvor kein Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG durchgeführt, ist eine im Rahmen einer Massenentlassung ausgesprochene Kündigung – unabhängig von dem Erfordernis einer ordnungsgemäßen Anzeige bei der Agentur für Arbeit nach § 17 Abs. 1 iVm. Abs. 3 KSchG – wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot iSv § 134 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) rechtsunwirksam. Die Durchführung des Konsultationsverfahrens, das auch vor einer Betriebsstilllegung durchzuführen ist, ist ein eigenständiges Wirksamkeitserfordernis für die Kündigung und steht selbständig neben dem Anzeigeverfahren.
Die Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes über Interessenausgleich, Sozialplan und Nachteilsausgleich bei Betriebsänderungen (§ 111 bis § 113 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz)) gelten auch in der Insolvenz des Unternehmens.
Obsiegt der Arbeitnehmer mit seinem Kündigungsschutzantrag und besteht damit das Arbeitsverhältnis fort, fehlt es bereits an einer Entlassung i.S.d. § 113 Abs. 3 Alt. 1 iVm Abs. 1 BetrVG, so dass ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Nachteilsausgleich aus dieser Vorschrift ausscheidet.
Auch im Falle der Insolvenz muss der Arbeitgeber im Zusammenhang mit einem Interessenausgleichsversuch wegen der Betriebsstilllegung grundsätzlich die Einigungsstelle anrufen. Dies gilt erst recht im vorläufigen Insolvenzverfahren, in dem die beschleunigende abschließende Sondervorschrift des § 122 InsO (Insolvenzordnung) nicht gilt.
ArbG Kempten, 29.11.2022 – Az: 3 Ca 983/22