Arbeitsrecht – Männlicher Bewerber wegen fehlender „flinker Frauenhände“ abgelehnt
Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechtes liegt vor, wenn einem männlichen Bewerber um eine Stelle abgesagt wird mit der Begründung, „unsere sehr kleinen, filigranen Teile sind eher etwas für flinke Frauenhände“.
Hierzu führte das Gericht aus:
Die Berufung meint, aus der Formulierung mit den „flinken Frauenhänden“ lasse sich nicht ableiten, dass der Kläger wegen seines männlichen Geschlechtes benachteiligt worden sei. Mit der Formulierung sei es darum gegangen, die Bedeutung kleiner Hände und feingliedriger Finger für die Arbeit als Bestücker der Digitaldruckmaschinen der Beklagten zu verdeutlichen.
Geht man zugunsten der Beklagten und gegen den eindeutigen Wortlaut des Absageschreibens davon aus, dass das Absageschreiben selbst noch keine unmittelbare Benachteiligung des Klägers wegen seines Geschlechtes zum Ausdruck bringt, so hat es doch jedenfalls den Charakter einer entsprechenden Indiztatsache nach § 22 AGG.(Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) Dies sieht auch die Beklagte ausweislich ihres Berufungsvorbringens, sodass dies neben dem Hinweis auf den klaren Wortlaut der Absage keiner weitergehenden Vertiefung bedarf.
Damit liegt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass keine Benachteiligung wegen des Geschlechtes stattgefunden hat, bei der Beklagten. Die Beklagte muss hier den vollen Gegenbeweis führen, dass nicht gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen wurde.
Die Beklagte kann hier schon nicht ausreichend vortragen. Einer Beweisaufnahme bedurfte es deshalb nicht. Die Beklagte macht geltend, bei der Internetrecherche über den Kläger auf Bilder gestoßen zu sein, die auch seine Hände zeigen würden. Daraus lässt sich jedoch nichts zur Fingerfertigkeit des Klägers ableiten. Zur Größe der Hände des Klägers lässt sich den zur Akte gereichten Bildern ebenfalls wenig entnehmen. Die Prokuristin der Beklagten hat dem Kläger auf Grund ihrer Lebenserfahrung, dass regelmäßig Frauen mit der kleinteiligen Arbeit bei der Beklagten eher zurechtkommen als Männer, abgesagt. Die persönliche Lebenserfahrung der Prokuristin hat damit im Ergebnis dazu geführt, dass sie ihm die Stelle absagte. Der Kläger wurde mithin im Bewerbungsverfahren wegen seines Geschlechtes benachteiligt. Die Gelegenheit, mittels Probearbeit nachzuweisen, dass er zu der kleinteiligen Arbeit bei der Beklagten willens und in der Lage ist, wurde ihm nicht gegeben, eben weil er ein Mann war. Dieses Verhalten ist unmittelbar benachteiligend nach § 3 Abs. 1 AGG wegen eines in § 1 AGG genannten Merkmales und verstößt damit gegen § 7 Abs. 1 AGG i.V.m. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG.
LAG Nürnberg, 13.12.2022 – Az: 7 Sa 168/22