Arbeitsrecht – Arbeitslosengeldanspruch: Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe
Ein wichtiger Grund zur Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag besteht nur dann, wenn dem Arbeitnehmer andernfalls zum selben Zeitpunkt arbeitgeberseitig gekündigt worden wäre.
Eine aufgrund der wirtschaftlichen Situation des Arbeitgebers und des dadurch erzwungenen Personalabbaus abstrakt drohende Kündigung stellt keinen wichtigen Grund gem § 159 Abs 1 S 1 in Verbindung mit S 2 Nr 1 SGB 3 (Sozialgesetzbuch) dar.
Hierzu führte das Gericht aus:
Die Beklagte hat jedoch zu Recht den Eintritt einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe iSv § 159 Abs. 1 Sätze 1 und 2 Nr. 1 SGB III für die Zeit vom 1. April 2014 bis 23. Juni 2014 festgestellt. Hiernach ruht der Anspruch auf Alg für die Dauer einer Sperrzeit, wenn sich der Arbeitnehmer, wie vorliegend der Kläger, versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben (§ 159 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Versicherungswidriges Verhalten liegt nach Satz 2 Nr. 1 der Vorschrift ua vor, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst hat und dadurch zumindest grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe). Die Sperrzeit beginnt mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet (§ 159 Abs. 2 Satz 1 SGB III) und sie beträgt bei Arbeitsaufgabe grundsätzlich zwölf Wochen (§ 159 Abs. 3 Satz 1 SGB III). Diese Voraussetzungen sind mit der Folge der Minderung der Alg-Anspruchsdauer (vgl § 148 Abs. 1 Nr. 4 SGB III) vorliegend erfüllt. Denn der Kläger hat mit der Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages vom 23. August 2013 unter Vereinbarung einer Freistellung ab 1. September 2013 bis zur eigentlichen Beendigung am 31. März 2014 das Beschäftigungsverhältnis gelöst und seine Arbeitslosigkeit hierdurch grob fahrlässig herbeigeführt, ohne hierfür einen wichtigen Grund gehabt zu haben. Löst ein Arbeitnehmer sein Beschäftigungsverhältnis, führt er seine Arbeitslosigkeit jedenfalls dann grob fahrlässig herbei, wenn er – wie der Kläger – nicht mindestens konkrete Aussichten auf einen Anschlussarbeitsplatz hat. Dass eine solche Aussicht für den Kläger bestanden hätte, ist weder ersichtlich noch vom Kläger selbst vorgetragen; er war ab 1. September 2013 auch tatsächlich arbeitslos. Der Kläger hat durch seine Zustimmung zum Aufhebungsvertrag eine bzw hier die wesentliche Ursache zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gesetzt, sich also nicht allein passiv verhalten, sondern durch eigenes Zutun das Ende seiner mehr als vierzigjährigen Beschäftigung herbeigeführt. Ob die Initiative von ihm oder vom Arbeitgeber ausgegangen bzw in wessen Interesse der Aufhebungsvertrag maßgeblich lag, ist dagegen grundsätzlich unerheblich.
Einen – arbeitsförderungsrechtlich anzuerkennenden – wichtigen Grund für die Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages (vgl § 159 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 SGB III) hatte der Kläger nicht. Eine, wie er mit dem Berufungsvorbringen bekräftigt, aus der seinerzeitigen Sicht aufgrund der wirtschaftlichen Situation der Arbeitgeberin und des dadurch erzwungenen Personalabbaus abstrakt drohende Kündigung stellte keinen wichtigen Grund dar, das Arbeitsverhältnis bereits zum 31. März 2014 zu beenden. Dies wäre lediglich bei einer ex ante andernfalls zu demselben Beendigungszeitpunkt konkret drohenden Kündigung der Fall gewesen, wofür indes keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte bestehen. Ein Aufhebungsvertrag ist zwar iSd § 159 SGB III nicht zu beanstanden, wenn eine gleichlautende rechtmäßige Kündigung des Arbeitgebers keine Sperrzeit nach sich ziehen würde. Dies ist dann der Fall, wenn ausgehend vom Datum des Vertragsabschlusses der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus betriebs- oder personenbedingten Gründen zum gleichen Zeitpunkt hätte fristgerecht kündigen dürfen. Ein wichtiger Grund zur Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag besteht also nur, wenn dem Arbeitnehmer andernfalls, wie ausgeführt, zum selben Zeitpunkt arbeitgeberseitig gekündigt worden wäre, wobei die Rechtmäßigkeit einer drohenden betriebsbedingten Kündigung insofern nicht zu prüfen ist. Der wichtige Grund muss sich mithin nicht nur auf die Beendigung der Beschäftigung überhaupt oder auf die Art der Beendigung beziehen, sondern er muss sich gerade auch auf die Wahl des Zeitpunktes für die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses erstrecken.
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens drohte dem Kläger zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrags, der zur „Vermeidung einer sonst auszusprechenden ordentlichen betriebsbedingten Kündigung“ vereinbart wurde, von Seiten seiner Arbeitgeberin konkret keine Kündigung gerade zum 31. März 2014. Der Kläger selbst hat dies nie behauptet, sondern im Verwaltungsverfahren nach den Gründen für den Abschluss des Aufhebungsvertrags befragt ausgeführt, dass er aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Situation der Arbeitgeberin und der bereits seit 2009 bestehenden Kurzarbeit das Arbeitsverhältnis beendet habe, um die Abfindung zu erhalten, ohne dass ihm mit Bestimmtheit eine betriebliche Kündigung in Aussicht gestellt worden sei. Die Arbeitgeberin ist augenscheinlich selbst davon ausgegangen, dass eine Kündigung des Klägers nicht möglich war, ohne dass es einer abschließenden Beurteilung bedarf, ob diese Einschätzung zutraf. Denn sie hat in der Arbeitsbescheinigung vom 7. April 2014 ausgeführt, im Falle des Klägers habe „Kündigungsschutz nach Tarifvertrag bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze bestanden“, daher sei das „Angebot einer Abfindung“ erfolgt. Dabei hat die Arbeitgeberin auf die Regelung in Nr. 12.5 des einschlägigen Manteltarifvertrags für die Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg – Tarifgebiet II – vom 22. November 2006 abgehoben, wonach nach mindestens zehnjähriger ununterbrochener Betriebszugehörigkeit – gerechnet ab dem vollendeten 45. Lebensjahr – das Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber nur aus wichtigem Grunde gekündigt werden konnte. Dass ein Personalabbau seinerzeit zwingend war, kann den Ausführungen der Arbeitgeberin im Schreiben vom 21. Juli 2014 und auch denen der Rechtsnachfolgerin in der Auskunft an das Gericht vom 20. Januar 2020 ohne weiteres entnommen werden. Hieraus allein kann indes nicht mit der erforderlichen Gewissheit gefolgert werden, dass die Arbeitgeberin vor diesem Hintergrund dem Kläger seinerzeit konkret eine Kündigung zum 31. März 2014 in Aussicht gestellt hatte. Der Hinweis der Rechtsnachfolgerin im Schreiben vom 20. Januar 2020, dass es alternativ zu einer betriebsbedingten Kündigung des Klägers (ohne dass hierfür trotz der konkreten Anfrage ein konkreter Beendigungszeitpunkt genannt wurde) gekommen wäre, ist mit den – zeitnahen – Einlassungen der Arbeitgeberin im Verwaltungsverfahren und dem dort explizit in Bezug genommenen besonderen Kündigungsschutz des Klägers nicht in Einklang zu bringen.
LSG Berlin-Brandenburg, 06.05.2020 – Az: L 18 AL 55/19