Tarifvertragliche Regelungen und ihre unmittelbare Anwendung: Ausschlussfristen
In einem aktuellen Fall hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (LAG) entschieden, dass die Bestimmungen eines Tarifvertrages direkt auf ein Arbeitsverhältnis anwendbar sind, wenn im Arbeitsvertrag auf diesen Tarifvertrag global Bezug genommen wird (Az: 10 Sa 94/21). Diese Entscheidung unterstreicht, dass eine solche Globalverweisung die Anwendbarkeit tariflicher Bestimmungen sicherstellt, ohne dass diese anhand der allgemeinen Geschäftsbedingungen nach §§ 305 ff. BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) kontrolliert werden müssen, vorausgesetzt, das Arbeitsverhältnis fällt in den räumlichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags.
Die Reichweite von Ausschlussfristen in Tarifverträgen
Ein weiterer zentraler Aspekt des Urteils betrifft die Ausschlussfristen, die in Tarifverträgen geregelt sein können. Das LAG stellte klar, dass eine vertragliche Ausschlussfrist, die gegen § 202 Abs. 1 BGB verstößt, nur insoweit unwirksam ist, als sie auch Ansprüche umfasst, die durch vorsätzliches Handeln entstanden sind. Im Übrigen bleibt die Fristregelung wirksam. Dies knüpft an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) an und bestätigt die Urteile vom 23. Januar 2019 (Az: 4 AZR 541/17) und vom 27. Oktober 2020 (Az: 9 AZR 531/19).
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Anwendung auf Fälle in der Metall- und Elektroindustrie
Das LAG bezog sich in seinem Urteil auf den Manteltarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie von Südwürttemberg-Hohenzollern (MTV). Es wurde festgelegt, dass die Ausschlussfrist des § 18.1.2 MTV auch für Ansprüche gilt, die erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig werden.
Beginn der Ausschlussfrist bei Fälligkeit des Anspruchs
Entgegen dem Wortlaut des § 18.1.2. MTV beginnt die Ausschlussfrist nicht bereits mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses zu laufen, sondern erst mit der Fälligkeit des jeweiligen Anspruchs. Diese Präzisierung hat bedeutende Auswirkungen für Arbeitnehmer in der Metall- und Elektroindustrie, da sie ihnen mehr Zeit gibt, ihre Ansprüche geltend zu machen.
Fazit für Arbeitnehmer und arbeitsrechtlich Interessierte: Ausschlussfristen
Die Entscheidung des LAG Baden-Württemberg ist ein wichtiges Urteil für Arbeitnehmer, die unter einen Tarifvertrag fallen. Sie verdeutlicht, dass die Inbezugnahme eines Tarifvertrages in einem Arbeitsvertrag dessen Regeln unmittelbar und ohne weitere Prüfung Anwendung finden lässt. Zudem gibt das Urteil Klarheit über die Handhabung von Ausschlussfristen und deren Beginn. Arbeitnehmer sollten sich daher bewusst sein, dass Tarifverträge und ihre Fristregelungen eine erhebliche Bedeutung für ihre Rechte und Pflichten haben und im Falle von Unklarheiten professionellen Rechtsrat einholen sollten.