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Rechtsstand:

Sexuelle Belästigung: Fristlose Kündigung!

Fristlose Kündigung wegen sexueller Belästigung von Praktikantinnen

Fortgesetzte sexuelle Belästigungen einer bzw. mehrerer Praktikantinnen können die fristlose Kündigung eines langjährig beschäftigten Arbeitnehmers auch dann rechtfertigen, wenn eine einschlägige Abmahnung nicht vorausgegangen ist.

Das Gewicht der entsprechenden Pflichtverletzung wird dadurch erheblich erhöht, dass der Belästiger durch Hinweise auf seine bessere Verankerung im Betrieb und seine Kompetenz, das Zeugnis der Praktikantinnen zu schreiben, die Duldung der von ihm ausgehenden Übergriffe zu erzwingen versucht.

Hierzu führte das Gericht aus:

Eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) ist gem. § 7 Abs. 3 AGG eine Verletzung vertraglicher Pflichten, die „an sich“ als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) geeignet ist. Sie liegt vor, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch sexuell bestimmte körperliche Berührungen und Bemerkungen sexuellen Inhalts gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird.

Im Unterschied zu § 3 Abs. 3 AGG können auch einmalige sexuell bestimmte Verhaltensweisen den Tatbestand einer sexuellen Belästigung erfüllen. Schutzgut der § 7 Abs. 3, § 3 Abs. 4 AGG ist die sexuelle Selbstbestimmung als Konkretisierung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG (Grundgesetz).

Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung wird als das Recht verstanden, selbst darüber zu entscheiden, unter den gegebenen Umständen von einem oder mehreren anderen in ein sexualbezogenes Geschehen involviert zu werden.

Das schließt es ein, selbst über einen Eingriff in die Intimsphäre durch körperlichen Kontakt zu bestimmen. Bei Handlungen, deren Sexualbezogenheit aus sich heraus nicht zwingend ist, wie beispielsweise Umarmungen, kann sich eine Sexualbezogenheit aufgrund der mit ihnen verfolgten sexuellen Absicht ergeben. Eine solche kann auch darin bestehen, den Betroffenen unter Verletzung seines Rechts auf Selbstbestimmung sexualbezogen zu beschämen.

Geht es dagegen um ein Verhalten, das das Geschlechtliche im Menschen unmittelbar zum Gegenstand hat, genügt für das „Bewirken“ iSv. § 3 Abs. 4 AGG der bloße Eintritt der Belästigung. Gegenteilige Absichten oder Vorstellungen der für dieses Ergebnis aufgrund ihres Verhaltens objektiv verantwortlichen Person spielen keine Rolle. Das Tatbestandsmerkmal der Unerwünschtheit verlangt – anders als noch § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BSchG (Beschäftigtenschutzgesetz) – nicht, dass der Betroffene seine ablehnende Einstellung zu den fraglichen Verhaltensweisen aktiv verdeutlicht hat. Maßgeblich ist allein, ob die Unerwünschtheit der Verhaltensweise objektiv erkennbar war.

LAG Niedersachsen, 20.06.2022 – Az: 12 Sa 434/21

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