Mehr Infos
Anwalt für Arbeitsrecht und Sozialrecht
Rechtsstand:

Von Einzel- zu Großraumbüro: Ist das fair?

Zwangsumzug ins Großraumbüro

Im vorliegenden Fall ging es um die Klärung der Frage, ob die Weisung das von einem Arbeitnehmer in der Zeit als Mitglied der Betriebsvertretung genutzte Einzelbüro zu räumen und in ein „Großraumbüro“ umzuziehen, billigem Ermessen entspricht.

Hierzu führte das Gericht aus:

Nach § 106 S. 1 GewO (Gewerbeordnung) kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt ist.

Das Weisungsrecht der US Stationierungskräfte, dem Kläger einen Arbeitsplatz wahlweise in einem Einzel-, Zweier- oder Großraumbüro zuzuweisen, ist arbeitsvertraglich nicht beschränkt.

Der Arbeitsort des Klägers hat sich auch nicht auf das Einzelbüro, im dem er während seiner Mitgliedschaft in der Betriebsvertretung tätig war, konkretisiert. Den Arbeitsvertrag hinsichtlich der Versetzungsklausel abändernde Vereinbarungen haben die Parteien nicht – auch nicht stillschweigend – getroffen. Allein die Nichtausübung des Direktionsrechts über einen längeren Zeitraum genügt für die Annahme einer Konkretisierung nicht. Auch erfüllt die Zeitdauer von 4 Jahren vorliegend nicht das dazu erforderliche Zeitmoment. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass dem Kläger das Einzelbüro gerade in der Zeit seiner Mitgliedschaft in der Betriebsvertretung zur Verfügung stand. Die besonderen Umstände dafür, dass der Kläger dauerhaft auch zukünftig, insbesondere nach Beendigung seiner Mitgliedschaft in der Betriebsvertretung, in diesem Einzelbüro hätte tätig werden sollen, fehlen.

Die streitgegenständliche Direktionsrechtsmaßnahme hat auch die Grenzen billigen Ermessens (§ 106 GewO, § 315 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch)) gewahrt.

Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen (§ 106 GewO, § 315 BGB) verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit.

In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 106 GewO, § 315 Abs. 1 BGB verbleibt für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb dieses Spielraums können dem Bestimmungsberechtigten mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen.

Dem Gericht obliegt nach § 106 GewO, § 315 Abs. 3 S. 1 BGB die Prüfung, ob der Arbeitgeber als Gläubiger die Grenzen seines Bestimmungsrechts beachtet hat. Bei dieser Prüfung kommt es nicht auf die vom Bestimmungsberechtigten angestellten Erwägungen an, sondern darauf, ob das Ergebnis der getroffenen Entscheidung den gesetzlichen Anforderungen genügt. Die Darlegungs- und Beweislast für die Einhaltung der Grenzen hat der Bestimmungsberechtigte.

Maßgeblich für die Ausübungskontrolle ist nicht die Interessenlage der Parteien zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, sondern diejenige im Zeitpunkt, zu dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen hatte.

Die US Stationierungsstreitkräfte haben mit ihrer Weisung billiges Ermessen gewahrt.

Nach Beendigung der Mitgliedschaft des Klägers in der Betriebsvertretung benötigte der Kläger für die Tätigkeit als Mitglied der Betriebsvertretung kein Einzelbüro mehr. Dagegen wird ein Einzelbüro für das nunmehr gewählte Betriebsvertretungsmitglied benötigt.

Nach Wegfall seiner Funktion als Betriebsvertretungsmitglied hat der Kläger – wie auch jeder andere in der Abteilung beschäftigte Elektrotechniker – in vollem Maße die Tätigkeit eines Elektrotechnikers auszuüben, mithin auch vor Ort, an der Werkbank oder im Freien tätig zu sein. Unstreitig werden die Tätigkeiten des Klägers an verschiedenen Orten ausgeübt. Für die Zuweisung eines Arbeitsplatzes im „Großraumbüro“ sprechen Gründe der Gleichbehandlung mit den übrigen in der Abteilung beschäftigten Elektrotechnikern sowie der Gesichtspunkt des hierdurch erleichterten Austauschs von Informationen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Kläger nach Ende seiner Amtszeit wieder verstärkt Aufgaben eines Elektrotechnikers auszuüben hat. Als Elektrotechniker hat der Kläger weder eine Vorgesetztenfunktion inne noch unterliegt er besonderen Geheimhaltungsvorschriften, die die Erbringung seiner Arbeitsleistung in einem Einzelbüro erfordern würden.

Infolge des Umzugs des Klägers vom Einzel- in das „Großraumbüro“ ändert sich für diesen beispielsweise der Weg zur Arbeit und die hierfür aufzuwendende Zeit nicht. Mehraufwendungen entstehen für den Kläger nicht.

Gesundheitliche Beeinträchtigungen des Klägers hätten die US Stationierungsstreitkräfte bei der Ausübung des Direktionsrechts nur dann berücksichtigen können und müssen, wenn ihnen solche im Zeitpunkt ihrer Ermessensentscheidung am 11. Juli 2018 bekannt gewesen wären. Soweit der Kläger behauptet hat, er habe seinem Vertragsarbeitgeber bereits vor dem Zeitpunkt der Weisung mitgeteilt, er habe Tinnitus und aus diesem Grund solle eine Arbeit im Großraumbüro vermieden werden, hat er nicht angegeben, wann genau er wem eine entsprechende Mitteilung welchen genauen Inhalts gemacht haben will. Auch soweit der Kläger im bEM-Verfahren geäußert haben will, dass er die Arbeit im Großraumbüro vermeiden solle, bleibt offen, zu welchem genauen Zeitpunkt eine solche Mitteilung erfolgt sein soll, insbesondere ob diese Äußerung vor oder nach dem 11.Juli 2018 erfolgte.

Die vom Kläger vorgelegte ärztliche Bescheinigung der ihn behandelnden Ärztin Dr. B. datiert auf den 13. Juli 2018, also auf einen Zeitpunkt nach der streitgegenständlichen Weisung. Die arbeitsmedizinische Untersuchung durch die X. erfolgte erst am 29. Oktober 2018, die schriftliche Stellungnahme stammt vom 5. November 2018. Die am 13. Juli 2018 und 5. November 2018 attestierten gesundheitlichen Einschränkungen konnten daher bei der Ausübung des Direktionsrecht durch die US Stationierungsstreitkräfte noch nicht berücksichtigt werden.

Der Kläger hat auch selbst nicht behauptet, dass die von ihm behaupteten, einer Beschäftigung im Großraumbüro entgegenstehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen offensichtlich oder aus einem anderen Grund der Beklagten bekannt gewesen wären. Ob der Kläger über einen Grad der Behinderung von 30 und gegebenenfalls ab welchem Zeitpunkt hat, ist zwischen den Parteien streitig, einen genaueren Vortrag hat der Kläger nicht gehalten, einen Nachweis nicht erbracht.

Bei Abwägung aller im Zeitpunkt der Ermessensentscheidung zu berücksichtigenden Gesichtspunkte wahrt die Entscheidung der US Stationierungsstreitkräfte, dass der Kläger das von ihm in der Zeit als Mitglied der Betriebsvertretung genutzte Einzelbüro zu räumen und in ein „Großraumbüro“ umzuziehen hat, billiges Ermessen.

LAG Rheinland-Pfalz, 13.05.2020 – Az: 7 Sa 380/19