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Rechtsstand:

Schutz vor Kündigung: Gericht stärkt Arbeitnehmer

Vorrang einer Änderungskündigung vor betriebsbedingter Kündigung

Spricht der Arbeitgeber ohne vorheriges oder gleichzeitiges Angebot der geänderten Arbeitsbedingungen sofort eine Beendigungskündigung aus, so ist diese Kündigung regelmäßig sozialwidrig. Es bleibt hier beim Vorrang der Änderungskündigung i.S.d. Rechtsprechung (BAG, 21.04.2005 – Az: 2 AZR 132/04).

Gegenüber der Beendigungskündigung erweist sich die Änderungskündigung als milderes und vorzugswürdiges Mittel deshalb, weil der Arbeitnehmer das Änderungsangebot einer Änderungskündigung gemäß § 2 KSchG (Kündigungsschutzgesetz) unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung der Vertragsänderung annehmen kann.

Von einer beachtlichen Ablehnung des Änderungsangebots durch den Arbeitnehmer kann nur dann ausgegangen werden, wenn dessen Erklärung sich nicht allein in der Ablehnung der neuen Arbeitsvertragsbedingungen erschöpft, sondern zusätzlich auch die hinreichend deutliche Erklärung enthält, einer Änderungskündigung nicht mit einer Vorbehaltsannahme begegnen, sondern auf die günstige Rechtsposition aus § 2 KSchG verzichten zu wollen.

Hierzu führte das Gericht aus:

Sozial ungerechtfertigt und damit nach § 1 Abs. 1 KSchG rechtsunwirksam ist eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist, § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG.

Stützt sich der Arbeitgeber auf den rein innerbetrieblichen Umstand einer gestaltenden Unternehmerentscheidung, so muss er nachvollziehbar darlegen, durch wen, wann und mit welchem Inhalt eine solche Entscheidung getroffen wurde, dass er seinen Entschluss umgesetzt hat und wie sich dies auf Dauer auf welche Beschäftigungsmöglichkeiten in welchem Umfang ausgewirkt hat. Die Umsetzung der unternehmerischen Entscheidung – prognostizierter Wegfall des Beschäftigungsbedarfs – muss bei Zugang der Kündigung zumindest greifbare Formen angenommen haben. Dies alles hat der Arbeitgeber erforderlichenfalls zu beweisen, § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG.

Die Zweckmäßigkeit der Unternehmerentscheidung steht nicht zur gerichtlichen Überprüfung. Es geht in diesem Zusammenhang allein um Missbrauchskontrolle. Verstöße gegen gesetzliche und tarifliche Normen sollen verhindert werden, ebenso Diskriminierung und Umgehungsfälle. Für eine beschlossene und tatsächlich durchgeführte unternehmerische Organisationsentscheidung spricht zunächst die Vermutung, dass sie aus sachlichen Gründen erfolgt ist und kein Rechtsmissbrauch vorliegt. Den Arbeitnehmer trifft deshalb die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die fragliche innerbetriebliche Maßnahme in diesem Sinne offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist.

Die Vermutungswirkung tritt jedoch nicht ein, wenn die Organisationsentscheidung des Arbeitgebers und sein Kündigungsentschluss ohne nähere Konkretisierung nicht voneinander getrennt werden können. In diesen Fällen muss der Arbeitgeber darlegen, in welchem Umfang die fraglichen Arbeiten zukünftig im Vergleich zum bisherigen Zustand anfallen.

Der Arbeitgeber muss im Kündigungsschutzprozess konkrete Angaben dazu machen, wie sich die Verringerung der Produktion oder die sonstige Einschränkung seiner unternehmerischen Betätigung auf die Arbeitsmenge auswirkt und in welchem Umfang dadurch ein konkreter Arbeitskräfteüberhang entsteht.

Im Wege einer abgestuften Darlegungslast wäre es dann Sache des Arbeitnehmers, hierauf – soweit ihm dies, z.B. aus seiner bisherigen Arbeit möglich ist – zu erwidern. Dann wäre es wiederum Sache des Arbeitgebers, sich darauf weiter einzulassen. Der Arbeitgeber muss substantiiert dartun, wie sich die Umsetzung seiner unternehmerischen Entscheidung auf die Beschäftigungsmöglichkeiten ausgewirkt hat. Nicht nur die durch äußere Anlässe bedingte, sondern auch die autonome, gestaltende Unternehmerentscheidung muss sich in greifbaren betrieblichen und damit objektivierbaren Formen niederschlagen.

Schließlich müssen die betrieblichen Gründe „dringend“ sein. Damit ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz angesprochen. Eine Beendigungskündigung ist erst zulässig, wenn zumutbare mildere Mittel – etwa das Angebot einer geringerwertigen freien Stelle im Wege der Änderungskündigung – ausgeschöpft sind.

LAG Rheinland-Pfalz, 23.06.2020 – Az: 8 Sa 192/19

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