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Gemeinschaftsbetrieb vs. Leiharbeit: BAG-Urteil
Rechtsstand:

Gerichtsstand bei Leiharbeit: Einsatzort schlägt Vertrag

Wer als Leiharbeitnehmer beschäftigt ist, kennt das Problem: Der Arbeitsvertrag sieht flexible, oft bundesweite Einsatzorte vor. Doch im Streitfall stellt sich die Frage – bei welchem Arbeitsgericht kann eigentlich geklagt werden? Das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen hat im April 2025 hierzu nun eine klare Entscheidung getroffen: Der tatsächliche Einsatzort ist ausschlaggebend, nicht die vertragliche Klausel.

Hintergrund: Flexible Arbeitsverträge bei Leiharbeit

Leiharbeitnehmer werden häufig bei verschiedenen Kunden eingesetzt. In den meisten Arbeitsverträgen finden sich weit gefasste Klauseln zu möglichen Einsatzorten. Das führt im Streitfall oft zu Unsicherheiten, welches Arbeitsgericht örtlich zuständig ist. Geregelt ist dies im § 48 Abs. 1a ArbGG: Maßgeblich ist, wo die Arbeit tatsächlich und über einen längeren Zeitraum ausgeübt wird.

Das Urteil des LAG Niedersachsen (Az. 9 SHa 284/25)

Im zugrunde liegenden Fall war ein Leiharbeitnehmer fast zwölf Jahre ausschließlich bei einem Kunden im Bezirk des Arbeitsgerichts Nienburg tätig – trotz flexibler Einsatzklausel im Vertrag. Dennoch verwies das Arbeitsgericht Nienburg die Klage an das Arbeitsgericht Frankfurt. Das LAG Niedersachsen hob diese Entscheidung auf und stellte klar:

  • Nicht die vertragliche Regelung, sondern der tatsächliche, längerfristige Einsatzort ist entscheidend.
  • Ziel des Gesetzes: Der Zugang zum Arbeitsgericht soll für Arbeitnehmer möglichst einfach sein. Vertragsklauseln dürfen den Gerichtsstand nicht „verlagern“.
  • Ausnahme: Nur bei ständig wechselnden Einsatzorten ohne dauerhaften Schwerpunkt gilt diese Regelung nicht. Dann zählt der Ort, von dem aus die Arbeit regelmäßig aufgenommen wurde.

Bedeutung für die Praxis

  • Für Leiharbeitnehmer:
    Sie können an dem Gericht klagen, an dessen Bezirk sie tatsächlich regelmäßig eingesetzt werden – auch wenn der Vertrag anderes vorsieht.
  • Für Arbeitgeber:
    Vertragliche Flexibilitätsklauseln reichen nicht aus, um den Gerichtsstand zu bestimmen. Entscheidend ist die tatsächliche Einsatzpraxis.
  • Für die Streitfall-Vorbereitung:
    Arbeitgeber sollten Einsatzorte und Zeiträume sorgfältig dokumentieren, um darlegen zu können, ob ein dauerhafter Schwerpunkt entstanden ist oder nicht.
  • Wird eine Klage am falschen Gericht eingereicht:
    Das Gericht prüft die örtliche Zuständigkeit und verweist den Fall, was Zeit und Aufwand kostet. Eine solche Verweisung ist in der Regel endgültig.

Praxistipp

Leiharbeitnehmer:
Prüfen Sie, wo Sie tatsächlich und regelmäßig eingesetzt werden – hier können Sie klagen.

Personalabteilungen:
Richten Sie Prozesse und Arbeitsverträge so aus, dass sie die aktuelle Rechtsprechung berücksichtigen und keine unnötigen Rechtsrisiken eingehen.