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Rechtsstand:

Leiharbeit: Wie lange ist ‚vorübergehend‘?

Die Frage der zulässigen Dauer, für die Arbeitnehmer einem anderen Unternehmen überlassen werden dürfen, ist ein zentraler Aspekt im Arbeitsrecht. Das Bundesarbeitsgericht hat zu diesem Thema eine wichtige Entscheidung getroffen, die für Arbeitnehmer, Verleiher und Entleiher von großer Bedeutung ist.

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

In seinem Urteil vom 14. September 2022 (Aktenzeichen 4 AZR 26/21) hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) klargestellt, dass die Überlassungsdauer von Leiharbeitnehmern durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung verlängert werden kann. Dabei müssen jedoch bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, um den „vorübergehenden“ Charakter der Arbeitnehmerüberlassung nicht zu gefährden.

Auslegung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG)

Gemäß § 1 Abs. 1b Satz 5 AÜG ist es möglich, in einer Betriebsvereinbarung, die auf einem Tarifvertrag basiert, eine andere als die gesetzliche Überlassungshöchstdauer festzulegen. Entscheidend ist dabei die Formulierung einer konkreten zeitlichen Grenze, welche die vorübergehende Natur der Überlassung gemäß § 1 Abs. 1 Satz 4 AÜG sicherstellt.

Einheitliche Überlassungshöchstdauer für alle Beteiligten

Das BAG betont, dass eine solche Betriebsvereinbarung nicht nur für den Entleiher, sondern auch für den Verleiher und die Leiharbeitnehmer gilt. Die Überlassungshöchstdauer wird somit einheitlich für alle an der Überlassung beteiligten Parteien geändert. Dies entspricht der Intention des Gesetzgebers, der keine Unterscheidung zwischen Entleih- und Verleihdauer in den relevanten Passagen des AÜG macht.

Verfassungsmäßigkeit der Regelungen

Das Gericht sieht in der Möglichkeit, durch Tarifvertrag eine von der gesetzlichen Norm abweichende Überlassungshöchstdauer zu vereinbaren, keinen Verstoß gegen das Grundgesetz. Die tariflichen Regelungsbefugnisse sind damit verfassungskonform.

Konsequenzen für die Praxis

Diese Entscheidung hat weitreichende Folgen für die Praxis der Arbeitnehmerüberlassung. Sie bestätigt, dass Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen genutzt werden können, um flexibel auf die Bedürfnisse der Arbeitswelt zu reagieren, solange die Überlassung von Arbeitnehmern „vorübergehend“ bleibt, wie es das AÜG und die EU-Richtlinie 2008/104/EG fordern.

Fazit

Arbeitnehmer und Unternehmen sollten sich über die aktuellen tarifvertraglichen Regelungen informieren und diese beim Einsatz von Leiharbeitnehmern berücksichtigen. Diese Rechtsprechung demonstriert die Bedeutung der Tarifautonomie und der betrieblichen Mitbestimmung im Arbeitsrecht und unterstreicht die Notwendigkeit einer sorgfältigen Gestaltung von Betriebsvereinbarungen.