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Erfahren Sie, wie das LAG BW Arbeitnehmerrechte bei unberechtigten Abmahnungen stärkt.
Rechtsstand:

Abmahnung vor Kündigung: Wann ist sie entbehrlich?

Der Grundsatz: Kündigungen im Arbeitsrecht

Das Arbeitsrecht sieht vor, dass ein Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis unter bestimmten Umständen auch ohne vorherige Abmahnung beenden kann. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB ist eine außerordentliche Kündigung dann möglich, wenn ein sogenannter „wichtiger Grund“ vorliegt. Ein solcher Grund ist anzunehmen, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Einzelheiten des jeweiligen Falles und nach Abwägung der beidseitigen Interessen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann, und zwar auch nicht bis zum Ende der regulären Kündigungsfrist.

Die Einzelfallprüfung: Wann verzichtet man auf eine Abmahnung?

Die Prüfung, ob eine Abmahnung erforderlich ist, erfolgt immer im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung. Hierbei wird zunächst untersucht, ob der Sachverhalt generell als wichtiger Grund für eine Kündigung in Frage kommt. Anschließend wird geprüft, ob im konkreten Fall eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist dem Arbeitgeber zumutbar ist.

Interessenabwägung: Das Verhältnis von Arbeitgeber und Arbeitnehmer

Das Arbeitsgericht Stuttgart hat in seinem Urteil vom 23. Mai 2019 (Az: 21 Ca 3921/18) klargestellt, dass bei der Beurteilung einer außerordentlichen Kündigung die Interessen beider Parteien gegeneinander abzuwägen sind. Es gilt, zwischen dem Wunsch des Arbeitgebers nach einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und dem Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortführung zu vermitteln.

Kriterien der Zumutbarkeit

Die Entscheidung darüber, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zugemutet werden kann, ist nicht pauschal zu treffen. Vielmehr sind Umstände wie das Ausmaß der Pflichtverletzung, das Verschulden des Arbeitnehmers, die Gefahr der Wiederholung, die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen bisheriger Verlauf zu berücksichtigen.

Die Ausnahme von der Regel: Abmahnung nicht immer nötig

Eine außerordentliche Kündigung kann ohne vorherige Abmahnung erfolgen, wenn keine milderen Mittel zur Verfügung stehen oder wenn eine Verhaltensänderung des Arbeitnehmers trotz Abmahnung nicht zu erwarten ist. Dies gilt insbesondere bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen oder Störungen im Vertrauensbereich, wie § 314 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 323 Abs. 2 BGB verdeutlicht.

Fazit: Abmahnung als arbeitsrechtliches Instrument

Die Abmahnung dient im Arbeitsrecht als Warnsignal und soll dem Arbeitnehmer die Möglichkeit geben, sein Verhalten zu korrigieren. Ihre Notwendigkeit muss jedoch im Einzelfall geprüft werden, wobei die Rechtsprechung des Arbeitsgerichts Stuttgart einen wertvollen Orientierungspunkt bietet. Arbeitnehmer und Arbeitgeber sollten sich der Voraussetzungen und Ausnahmen bewusst sein, um ihre Rechte und Pflichten im Falle von Konflikten am Arbeitsplatz zu verstehen.