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Rechtsstand:

Vorsorgekündigung: Was ist rechtens?

Vorsorgliche betriebsbedingte Kündigung zum nächstmöglichen Zeitpunkt?
Nach § 1 KSchG (Kündigungsschutzgesetz) setzt eine rechtswirksame betriebsbedingte Kündigung voraus, dass dringende betriebliche Erfordernisse gegeben sind, die einer Weiterbeschäftigung im Betrieb entgegen stehen (§ 1 Abs. 1 KSchG) und der Arbeitgeber die Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG ordnungsgemäß durchgeführt hat.

Zwar kann eine unternehmerische Entscheidung, nach der in Form eines „konzerninternen Outsourcings“ Aufgaben auf ein anderes Unternehmen innerhalb eines Konzerns übertragen werden, grundsätzlich geeignet sein, ein dringendes betriebliches Erfordernis zum Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung darzustellen.

Auch ist es nicht Aufgabe der Gerichte für Arbeitssachen, eine unternehmerische Entscheidung auf ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen.

Aufgabe der Gerichte für Arbeitssachen ist es jedoch, eine ausgesprochene betriebsbedingte Kündigung auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen.

Hierzu zählt die Prüfung, ob aufgrund einer arbeitgeberseitig vorgetragenen unternehmerischen Entscheidung der Beschäftigungsbedarf für den gekündigten Arbeitnehmer tatsächlich spätestens mit Ablauf der Kündigungsfrist entfällt.

Die Gerichte für Arbeitssachen haben hierbei insbesondere zu prüfen, ob eine unternehmerische Entscheidung tatsächlich vorliegt und deren Umsetzung jedenfalls bereits „greifbare Formen angenommen“ hat zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs und ob aufgrund der Umsetzung dieser unternehmerischen Entscheidung tatsächlich der Beschäftigungsbedarf entfällt.

Wenn eine Aufgabe künftig nicht entfällt, sondern lediglich anderweitig verteilt werden soll, trifft den Arbeitgeber insofern im Kündigungsschutzprozess eine gesteigerte Darlegungslast, konkret darzulegen, wie die bisher vom gekündigten Arbeitnehmer ausgeführten Arbeitsaufgaben künftig anderweitig verteilt werden sollen, ohne dass es zu überobligatorischer Mehrbelastung für andere Arbeitnehmer kommen soll.

Regelmäßig ist insofern arbeitgeberseitig eine konkrete Aufstellung der Tätigkeiten und Aufgaben des gekündigten Arbeitnehmers – ggf. unter Darstellung prozentualer Anteile – erforderlich und eine ebenso konkrete Darstellung, wie und auf welche anderen Personen künftig diese Aufgaben verteilt werden sollen. Eine derartige Prognose muss der kündigende Arbeitgeber bereits zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs aufstellen können.

Es ist demgegenüber gerade nicht ausreichend, wenn der Arbeitgeber zunächst Kündigungen ausspricht und erst später im Nachgang entscheidet, wie er die Arbeit künftig anderweitig verteilen möchte. Eine derartige Kündigung ist als sogenannte „Vorratskündigung“ rechtsunwirksam.

Führt ein Arbeitgeber eine Betriebsstilllegung in Etappen durch, muss er für jede Einzelne dieser Etappen eine gesonderte Sozialauswahl durchführen.

Auch die Auswahlentscheidung, wer länger beschäftigt wird und erst zu einem späteren Zeitpunkt vom Verlust seines Arbeitsplatzes betroffen sein soll, hat grundsätzlich nach sozialen Auswahlkriterien gemäß § 1 Abs. 3 KSchG zu erfolgen.

Der Arbeitgeber muss bei seiner Auswahlentscheidung soziale Gesichtspunkte auch dann berücksichtigen, wenn nur noch einige Arbeitnehmer mit Abwicklungsarbeiten beschäftigt werden sollen.

Zwar gilt nach der Rechtsprechung des BAG, dass auch dann, wenn der Arbeitgeber eine nach § 1 Abs. 3 KSchG gebotene Sozialauswahl unterlassen hat, die Kündigung dennoch nicht sozial ungerechtfertigt sein kann, wenn mit ihr – zufällig – eine im Ergebnis vertretbare Auswahlentscheidung getroffen wurde.

Der Arbeitgeber hat jedoch in solchen Fällen im Kündigungsschutzprozess darzulegen, dass und aus welchen Gründen soziale Gesichtspunkte gegenüber dem klagenden Arbeitnehmer deshalb ausreichend berücksichtigt wurden, weil ihm selbst dann, wenn ein seitens des Arbeitnehmers gerügter Auswahlfehler unterblieben wäre, gekündigt worden wäre.

ArbG Köln, 14.11.2019 – Az: 8 Ca 5465/19