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Rechtsstand:

Massenentlassungen: Kein Schutz für Einzelne?

Kernaussage des EuGH-Urteils zu Massenentlassungen

Das Europäische Gericht erklärte in seiner Entscheidung, dass die Informationspflicht des Arbeitgebers bei beabsichtigten Massenentlassungen nicht dem Individualschutz der Arbeitnehmer dient. Diese Erkenntnis ist wichtig für Arbeitnehmer und Arbeitgeber, die sich mit den rechtlichen Rahmenbedingungen von Massenentlassungen auseinandersetzen müssen.

Der Fall: Insolvenz und geplante Geschäftseinstellung

Konkret ging es um den Fall eines seit 1981 bei der G GmbH beschäftigten Arbeitnehmers, dem im Zuge eines Insolvenzverfahrens die Kündigung ausgesprochen wurde. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschloss das Unternehmen, die Geschäftsaktivitäten einzustellen und Massenentlassungen vorzunehmen. Der Betriebsrat wurde konsultiert, jedoch wurde der Agentur für Arbeit keine Abschrift der Mitteilung zugesandt, was schließlich zu rechtlichen Auseinandersetzungen führte.

Rechtlicher Hintergrund: EU-Richtlinie und nationales Recht

Die EU-Richtlinie über Massenentlassungen und das deutsche Recht verlangen, dass Arbeitgeber die zuständigen Behörden informieren müssen. Der Arbeitnehmer argumentierte, die unterbliebene Übermittlung der Abschrift an die Agentur für Arbeit mache die Kündigung unwirksam. Das Bundesarbeitsgericht sah darin einen Verstoß gegen das Gesetz, entschied jedoch, den EuGH anzurufen, um zu klären, ob eine solche Pflichtverletzung die Nichtigkeit der Kündigung zur Folge hat.

Entscheidung des Gerichtshofs: Information ohne Individualschutz

Der Gerichtshof stellte klar, dass die Übermittlung der Informationen an die zuständige Behörde keine individuellen Schutzrechte der Arbeitnehmer begründet. Sie dient vielmehr dazu, der Behörde eine Vorbereitung auf die Folgen der Massenentlassungen zu ermöglichen, um geeignete Maßnahmen ergreifen zu können. Diese Vorbereitung umfasst die Einschätzung der Gründe für Entlassungen, die Zahl und Kategorien der betroffenen Arbeitnehmer sowie den Zeitrahmen der Entlassungen.

Fazit: Keine unmittelbare Auswirkung auf die Wirksamkeit der Kündigung

Das Urteil des EuGH (Az: C-134/22) hat somit klargestellt, dass die Mitteilungspflicht vor Massenentlassungen nicht den Einzelschutz der Arbeitnehmer bezweckt, sondern der Behörde ermöglichen soll, sich auf die Entwicklungen einzustellen. Die Wirksamkeit einer Kündigung ist durch eine unterlassene Mitteilung an die Behörde nicht direkt berührt, was für Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen von Bedeutung ist.

Quellenhinweis

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs basiert auf der vorinstanzlichen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, 27.01.2022 – Az: 6 AZR 155/21).