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Rechtsstand:

Freie Stellen: Betriebsrat verlangt Transparenz!

Innerbetriebliche Ausschreibung von Arbeitsplätzen


Der Arbeitgeber hat eine – vom Betriebsrat verlangte – innerbetriebliche Ausschreibung von Arbeitsplätzen nach § 93 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) vorzunehmen, bevor er eine Entscheidung über deren Besetzung trifft und den Betriebsrat zu der beabsichtigten personellen Maßnahme um Zustimmung ersucht.

Die Ausschreibung kann grundsätzlich nicht während des gerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahrens nachgeholt werden.

Hierzu führte das Gericht aus:

Das Verlangen iSv. § 93 BetrVG ist eine einseitige Erklärung des Betriebsrats, die dem Arbeitgeber zugehen muss. Über Form, Inhalt und Ausgestaltung der Ausschreibung können die Betriebsparteien eine (freiwillige) Betriebsvereinbarung schließen.

Eine solche Betriebsvereinbarung über die Art und Weise der Ausschreibung setzt einen übereinstimmenden Willen der Betriebsparteien voraus, dass freie Arbeitsplätze – ggf. auch beschränkt auf bestimmte Arten von Tätigkeiten – vor ihrer Besetzung innerhalb des Betriebs auszuschreiben sind. Deshalb liegt in ihrem Abschluss – unabhängig davon, welche der Betriebsparteien ihn initiiert hat – stets zugleich auch ein entsprechendes Verlangen seitens des Betriebsrats iSv. § 93 BetrVG.

Kündigt der Arbeitgeber eine solche Betriebsvereinbarung, entfällt damit zwar das Einvernehmen der Betriebsparteien über die nähere Ausgestaltung der Ausschreibungen. Dadurch kann der Arbeitgeber aber nicht das zugleich im Abschluss der Betriebsvereinbarung liegende – ggf. auf eine bestimmte Art von Stellen beschränkte – Verlangen des Betriebsrats beseitigen, freie Stellen auszuschreiben. § 93 BetrVG gewährt dem Betriebsrat, der die innerbetriebliche Ausschreibung freier Stellen verlangt hat, einen entsprechenden Rechtsanspruch. Ihm kann sich der Arbeitgeber nicht – auch nicht durch Kündigung – entziehen. Ob die Betriebsparteien eine Nachwirkung der freiwilligen Betriebsvereinbarung vereinbart haben, ist unerheblich.
Der Gesetzeswortlaut spricht nicht zwingend gegen die Möglichkeit, eine betriebsinterne Ausschreibung freier Arbeitsplätze nachzuholen. § 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG stellt lediglich darauf ab, dass die „nach § 93 [BetrVG] erforderliche Ausschreibung im Betrieb unterblieben ist“, ohne einen Zeitpunkt zu benennen, bis zu dem die Ausschreibung (spätestens) vorzunehmen ist. Auch die sprachliche Fassung von § 93 BetrVG, nach der eine Ausschreibung von Arbeitsplätzen verlangt werden kann, die „besetzt werden sollen“, lässt insoweit keinen eindeutigen Schluss zu. Der Begriff der Besetzung kann den tatsächlichen Vorgang umschreiben, mit dem einem Arbeitnehmer eine bestimmte Stelle übertragen wird. Bei diesem Verständnis könnte eine Ausschreibung bis zur vorläufigen oder sogar endgültigen Durchführung der personellen Maßnahme zulässig sein. Nicht ausgeschlossen ist aber auch ein Verständnis dahin, dass das innerbetriebliche Ausschreibungsverfahren durchzuführen ist, bevor der Arbeitgeber eine Entscheidung über die Besetzung trifft.

Die Gesetzessystematik steht der Annahme, eine zunächst unterbliebene innerbetriebliche Ausschreibung könne noch während des Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG nachgeholt werden, ebenfalls nicht entgegen. Zwar steht dem Betriebsrat bei einem Verstoß des Arbeitgebers gegen die Ausschreibungsverpflichtung nach § 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG ein Zustimmungsverweigerungsgrund zu. Gegenstand des Zustimmungsersetzungsverfahrens ist aber nicht, ob die Maßnahme zum Zeitpunkt der Antragstellung oder zu einem anderen früheren Zeitpunkt zulässig war. Entscheidend ist vielmehr, ob die beabsichtigte personelle Maßnahme angesichts der vom Betriebsrat geltend gemachten Verweigerungsgründe gegenwärtig und zukünftig zulässig ist.

Sinn und Zweck des § 93 BetrVG gebieten jedoch die Durchführung des innerbetrieblichen Ausschreibungsverfahrens, bevor der Arbeitgeber die Entscheidung über die Besetzung der freien Stelle trifft und den Betriebsrat um eine entsprechende Zustimmung ersucht.

Die Vorschrift ermöglicht es dem Betriebsrat, im Interesse der von ihm vertretenen Belegschaft durch die Bekanntmachung freier Stellen den innerbetrieblichen Arbeitsmarkt zu aktivieren. Die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer sollen Gelegenheit erhalten, sich auf die zu besetzenden Arbeitsplätze zu bewerben. Zudem zielt die Norm darauf ab, für die Belegschaft eine erhöhte Transparenz von betrieblichen Vorgängen zu schaffen und so einer Irritation über die Hereinnahme Außenstehender trotz im Betrieb vorhandener personeller Ressourcen entgegenzuwirken.

Erfolgt die innerbetriebliche Stellenausschreibung erst, nachdem der Arbeitgeber seine Entscheidung über die Stellenbesetzung getroffen und sie dem Betriebsrat mit der Bitte um Zustimmung unterbreitet hat, ist nicht gleichermaßen gewährleistet, dass diese Ziele erreicht werden. Schon die Kundgabe einer Besetzungsentscheidung gegenüber dem Betriebsrat birgt die Gefahr, dass den (übrigen) Arbeitnehmern des Betriebs der Eindruck vermittelt wird, der Arbeitgeber habe die – aus seiner Sicht – am besten geeignete Person für die zu besetzende Stelle bereits ausgewählt. Das kann zur Folge haben, dass sie bei einer späteren Ausschreibung von einer eigenen Bewerbung absehen, weil sie ihr keinen Erfolg einräumen. Durch eine bloße Nachholung der Ausschreibung könnten daher die gesetzlichen Ziele, den innerbetrieblichen Arbeitsmarkt zu aktivieren und die Transparenz des Stellenbesetzungsvorgangs zu gewährleisten, beeinträchtigt werden.

Unerheblich ist, dass der Arbeitgeber bei seiner Auswahl letztlich nicht an den Kreis innerbetrieblicher Bewerber gebunden ist und es grundsätzlich in seinem Ermessen liegt, die Stelle einem Arbeitnehmer seiner Wahl zu übertragen. Das ist § 93 BetrVG immanent. Die Norm beschränkt nicht die Besetzungsentscheidung des Arbeitgebers, sondern schreibt lediglich die Durchführung eines dieser Entscheidung vorgelagerten Verfahrens vor, mit dem der innerbetriebliche Arbeitsmarkt aktiviert und betriebliche Transparenz hergestellt werden sollen.

Hier kann dahinstehen, ob die Ausschreibung nach § 93 BetrVG ausnahmsweise während des Zustimmungsersetzungsverfahrens nachgeholt werden kann, wenn die (vorläufige) Besetzung der Stelle derart dringlich ist, dass eine vorherige Ausschreibung aus zeitlichen Gründen nicht möglich ist. Eine solche Möglichkeit kann allenfalls dann in Betracht kommen, wenn die Notwendigkeit der Stellenbesetzung so plötzlich und unerwartet eintritt, dass es dem Arbeitgeber nicht zumutbar ist, zuvor ein dem Sinn und Zweck der Norm entsprechendes Ausschreibungsverfahren durchzuführen.

BAG, 11.10.2022 – Az: 1 ABR 16/21