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Rechtsstand:

EuGH-Urteil: Quarantäne-Fairness für Wanderarbeiter!

Diskriminierende Quarantäne-Regelung für Grenzgänger gekippt

In einem wegweisenden Urteil hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Rechte von Wanderarbeitnehmern gestärkt, die im Zuge der COVID-19-Pandemie mit Quarantänemaßnahmen in ihrem Heimatland konfrontiert waren, während sie in einem anderen EU-Mitgliedstaat beschäftigt waren. Eine österreichische Regelung wurde dabei als mittelbar diskriminierend eingestuft.

Sachverhalt: Grenzgänger zwischen österreichischen und ungarischen/slowenischen Regelungen

Konkret betroffen waren Arbeitnehmer des Thermalhotel Fontana in Österreich, die Ende 2020 positiv auf COVID-19 getestet wurden. Während österreichische Gesundheitsbehörden für inländische Arbeitnehmer Quarantänemaßnahmen ergriffen, informierten sie bei den betroffenen Grenzgängern aus Ungarn und Slowenien lediglich die Behörden der jeweiligen Heimatländer. Diese verhängten daraufhin Quarantäneanordnungen nach lokalem Recht.

Vergütung im Quarantänefall: Erstattung durch österreichische Behörden abgelehnt

Das Hotel zahlte den Arbeitnehmern weiterhin das Arbeitsentgelt aus und beantragte eine Erstattung des Verdienstentgangs nach dem österreichischen Epidemiegesetz (EpiG) bei der zuständigen Behörde. Diese Anträge wurden jedoch abgewiesen, da die Quarantänemaßnahmen nicht auf Basis des EpiG erfolgt waren.

EuGH-Entscheidung: Mittelbare Diskriminierung liegt vor

Der EuGH verneinte die Frage, ob die Vergütung eine „Ausgleichsleistung bei Krankheit“ im Sinne der EU-Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit darstellt. Somit fiel sie nicht unter den Anwendungsbereich dieser Verordnung.

Entscheidend war jedoch die zweite Frage, ob die besagte österreichische Regelung gegen den Grundsatz der Arbeitnehmerfreizügigkeit verstößt, der in Art. 45 AEUV und Art. 7 der Verordnung Nr. 492/2011 verankert ist. Der EuGH bejahte dies, da die Regelung Wanderarbeitnehmer benachteiligte, die nicht im österreichischen Hoheitsgebiet wohnhaft waren, und somit eine mittelbare Diskriminierung darstellte.

Konsequenzen für die Praxis: Gleichstellung von Wanderarbeitnehmern

Die Urteilsbegründung des Gerichtshofs impliziert, dass nationale Regelungen, die Vergütungen ausschließlich für im Inland verordnete Quarantänemaßnahmen vorsehen, gegen EU-Recht verstoßen. Dies bedeutet, dass Wanderarbeitnehmer die gleichen Ansprüche haben sollten wie inländische Arbeitnehmer, wenn sie sich an die Quarantänebestimmungen ihres Wohnsitzmitgliedstaats halten.

Für Arbeitgeber und Arbeitnehmer in der EU ist dieses Urteil von großer Bedeutung, da es die Rechte von grenzüberschreitend Beschäftigten in Quarantänesituationen stärkt und eine Diskriminierung aufgrund des Wohnortes verhindert.

Fazit: Stärkung der Arbeitnehmerrechte im europäischen Kontext

Dieses Urteil (EuGH, 15.06.2023 – Az: C-411/22) betont die Notwendigkeit einer gleichberechtigten Behandlung von Arbeitnehmern in der EU, unabhängig von ihrer Nationalität oder ihrem Wohnsitz. Es zeigt, dass die europäische Rechtsprechung darauf ausgerichtet ist, die Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu schützen und mittelbare Diskriminierungen zu beseitigen.

Quelle: Pressemitteilung des EuGH