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Betriebsbedingte Kündigungen und Unternehmerentscheidungen – Ein juristischer Leitfaden
Rechtsstand:

Betriebsbedingte Kündigungen und Unternehmerentscheidungen – Ein juristischer Leitfaden

Was zählt als dringendes betriebliches Erfordernis?

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einem aktuellen Urteil vom 28. Februar 2023 (Az: 2 AZR 227/22) wichtige Grundsätze zu betriebsbedingten Kündigungen festgehalten. Gemäß § 1 Abs. 2 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) liegt ein dringendes betriebliches Erfordernis vor, wenn eine unternehmerische Entscheidung dazu führt, dass die Arbeitsleistung eines Angestellten dauerhaft nicht mehr benötigt wird. Wesentlich ist hierbei, dass diese Prognose bereits im Moment des Kündigungszugangs objektiv gerechtfertigt sein muss.

Unternehmerische Freiheit und ihre Grenzen

Ein Arbeitgeber ist grundsätzlich berechtigt, betriebliche Organisationsentscheidungen zu treffen, selbst wenn diese nicht zwingend aus wirtschaftlichen Gründen erforderlich sind. Eine gerichtliche Kontrolle, ob die Entscheidung „dringend“ oder „richtig“ ist, findet nicht statt – solange die Handlungen des Arbeitgebers nicht willkürlich sind.

Verfassungsrechtlicher Schutz des Arbeitnehmers

Die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG schützt die unternehmerische Freiheit, beinhaltet aber auch Schutzpflichten des Staates für Arbeitnehmer. Der Schutz des Arbeitsverhältnisses beeinflusst daher die Auslegung des Kündigungsschutzgesetzes. Die Gerichte müssen prüfen, ob und wie das Grundrecht des Arbeitnehmers durch eine Kündigung betroffen ist.

Prüfung der Unternehmerentscheidung durch Gerichte

Das BAG betont, dass eine vollständige Hinnahme jeder Unternehmerentscheidung den Schutz der Arbeitnehmer untergraben würde. Folglich wird eine beschränkte Prüfung der unternehmerischen Konzepte vorgenommen. Es soll ausgeschlossen werden, dass Organisationsentscheidungen als Vorwand dienen, um Kündigungsschutzbestimmungen zu umgehen.

Beweislast und Missbrauchskontrolle

In einem Kündigungsschutzprozess muss der Arbeitnehmer Indizien vorbringen, die darauf hinweisen, dass eine Organisationsentscheidung unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Das Gericht prüft diese Indizien und beurteilt, ob die unternehmerische Freiheit missbräuchlich genutzt wurde. Der Arbeitnehmer hat nach § 138 der Zivilprozessordnung (ZPO) die Beweislast für seine Behauptungen und nach § 286 Abs. 1 ZPO muss das Gericht die Beweise würdigen.

Wichtiges Urteil für Arbeitnehmer und Arbeitgeber

Das Urteil des BAG stellt einen wichtigen Orientierungspunkt für Arbeitnehmer dar, die sich mit einer betriebsbedingten Kündigung konfrontiert sehen. Es verdeutlicht, dass trotz der unternehmerischen Freiheit die Gerichte eine Schutzfunktion für die Arbeitnehmer wahrnehmen und unternehmerische Entscheidungen einer kritischen Prüfung unterziehen können. Arbeitgeber wiederum erhalten Klarheit über die Anforderungen an die Rechtfertigung von Organisationsentscheidungen.

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